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Basler Zeitung
Im Wortsinn ausgezeichnet
Karen Lovely and Pacific Northwest All-Stars im Atlantis
Von Nick Joyce
Basel. In keinem anderen Musikgenre, so scheint es wenigstens, werden so viele Preise vergeben wie im Blues. Das mag daran liegen, dass auf diesem traditionsreichen Parkett Handwerk mehr zählt als Innovation. Wo Künstler, Songs und Performances begeistern können, ohne überraschen zu müssen, lässt sich Qualität sicherer bemessen als in schnelllebigen Genres wie Pop, Reggae oder Hip-Hop.
Karen Lovely und die vier Mitglieder ihrer etwas protzig benannten Begleitband Pacific Northwest All-Stars wurden schon oft mit Blues-Awards ausgezeichnet. Beim ersten von zwei Konzerten im Atlantis wird schnell klar, warum. Die 57-jährige Amerikanerin mit Wahlheimat Portland, Bundesstaat Oregon, wirkt live wie eine Mischung aus Etta James und Van Morrison: Sie verbindet die Kraft der Soul-Shouterin aus Los Angeles mit der Nachdenklichkeit des Blues-Mystikers aus Belfast.
Obwohl Lovely und die Pacific Northwest All-Stars im Verlauf ihres Auftritts viele Stile durchlaufen, folgen sie keinen simplen Blues-, Folk- oder Americana-Formeln. Bei den vielen Eigenkompositionen schwingt immer ein zweites oder drittes Genre in Groove und Ausdruck mit. Diese leise Vielseitigkeit hört man nicht nur in Lovelys warmem Gesang, sondern auch in Mark Bowdens herrlich pointierter Rhythmusgitarre und Lisa Manns unterschwellig erfinderischen Bass-Licks.
Nach einem glänzenden ersten Set begeht Lovely früh im zweiten einen Kardinalfehler, der das Konzert für kurze Zeit aus dem Lot bringt. Bei «Key To The Highway» überlässt sie Lead-Gitarrist Ben Rice das Rampenlicht, der diesen von Joan Baez und B. B. King bekannten Klassiker zum klingenden Roadmovie ausbaut. Mit seinem exquisiten Bottleneck-Spiel und exaltierten Gospel-Gesang bringt Rice das Atlantis rasch zum Innehalten; die Songs, die auf diese Meisterklasse in US-Erzählkunst folgen, wirken wie nachgekleckert.
Cleveres Repertoire
Lovely muss sich anstrengen, damit das übrige Set nicht wie eine lange Zugabe daherkommt. So ringt sie ihrer Stimme noch mehr Emotion und Dynamik ab als während der ersten Konzerthälfte. Bei der Rettungsaktion hilft ihr das klug zusammengestellte Repertoire. «Glad You're Gone» ist ein eindringlich exekutierter Blues ohne solistische oder vokale Redundanzen, «Bare Naked Wire» ein mitreissender Stampfer im Stile des grossen Bo Diddley.
Mit dieser Nummer bringen Lovely und die Pacific Northwest All-Stars das nach zweieinhalb Stunden etwas erschöpfte Publikum wieder zum Tanzen und Mitsingen. Sie beschliessen so das ausgezeichnete Konzert einer zu Recht mit Awards geehrten Musikerin.